“Ohne Bildung keine Zukunft”

Soziales

Von Bayern nach Benin – seit Marianne Dötzer 1967 als junge Frau das erste Mal nach Benin reiste, lässt sie das Land in Westafrika nicht mehr los. Gemeinsam mit Alice Sücker gründete sie den Verein Wema-Home, der sich in dem Land für Bildung, Chancengleichheit und Naturschutz einsetzt. Zu Gast im Schulz Hotel Berlin Wall besuchte Alice Sücker eine Fortbildung bei Bengo Engagement Global – einer Beratungsstelle, die private Träger in der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. Neues Wissen, das letztendlich den Menschen in Benin zugutekommt.

 

 

 

Das Interview

Marianne, du hast einmal gesagt, das größte Missverständnis der Entwicklungshilfe sei der Gedanke, anderen unsere Kultur überstülpen zu wollen. Was ist der bessere Weg?

Marianne: Der bessere Weg ist, zuzuhören, was gebraucht wird und dann zusammen mit den Menschen überlegen und einen Plan aufstellen. Eigenleistung ist Bedingung.

Alice: Auf Augenhöhe kann man noch ganz viel lernen. Es gibt viele weise Menschen in Benin.

Was habt ihr persönlich von den Menschen in Benin gelernt?

Marianne: Ich habe gelernt, mich hinzusetzen, Ruhe zu bewahren mein Gegenüber zu akzeptieren wie er oder sie ist. Es gibt in Benin den Spruch: „Gott hat seine Gründe, jemanden so erschaffen zu haben wie er ist. Also lass ihn so“. Ich bin ja eigentlich sonst eher das Rumpelstilzchen, das schnell mal in die Luft geht.

Mit eurem Verein Wema Home leistet ihr in dem westafrikanischen Land vor allem Hilfe zur Selbsthilfe.

Alice: Wenn Menschen ihre eigenen Ideen verwirklichen können und wir ihnen dabei helfen, ist das für uns der richtige Weg.

Marianne: So sind die Menschen selbstverantwortlich aktiv und sind nicht davon abhängig, dass der nächste Hilfeschub kommt.

Ist es auch schon Mal vorgekommen, dass ein von euch angestoßenes Projekt anschließend gescheitert ist?

­Marianne: Ja das kam schon mal vor. Zum Beispiel wurde in einer von uns installierten Plantage aus Neid viel Schaden angerichtet – mutwillig. Wir mussten ständig nachbessern und es klappte einfach nicht. Wir haben aufgegeben.

Was ist dann aus dem Projekt geworden?  

Alice: Am Ende haben wir alles abbauen lassen und für ein neues Projekt wiederverwendet.

 

v.l.n.r. Marianne Dötzer und Alice Sücker im Schulz Hotel

 

Viele eurer Projekte richten sich an Mädchen oder Frauen. Warum ist Unterstützung in diesem Bereich so wichtig?

Marianne: Die Mädchen in Benin haben wenig Chancen, zur Schule zu gehen, obwohl Schulpflicht herrscht. Das kontrolliert aber niemand. Erst kommen die Buben in die Schule und wenn das Geld reicht dürfen auch die Mädchen gehen. Ein weiteres Problem ist, dass Mädchen an sogenannte Onkels und Tanten weiter gegeben oder mit alten Männern, die Geld haben, verheiratet werden.

Alice: Manche junge Frauen flüchteten vor den „Onkels“ in unser  Ausbildungszentrum. Dort können sie  eine Lehre  zur Schneiderin, Weberin,  Frisörin, Strickerin  oder Bäckerin machen. Es sind oft ganz junge Mädchen, von erst 9 oder 10 Jahren.

Rund 58.000 Menschen fristen in Benin ein Dasein als moderne Sklaven, das macht 0,5 Prozent der Bevölkerung. Betroffen sind oft Kinder, die beispielsweise als Hausmädchen oder auf Märkten arbeiten müssen oder zur Prostitution gezwungen werden.

Der Hafen von Ouidah galt im 16. Jahrhundert als größter Umschlagplatz für den Sklavenhandel in ganz Westafrika. Damals wurden meist junge Männer von portugiesischen, britischen und französischen Kolonialhändlern nach Brasilien, Haiti und in die USA verkauft. 

Ihr engagiert euch mit eurem Verein seit vielen Jahren ehrenamtlich. Was motiviert euch dazu, immer weiter zu machen?

Marianne: Es gab oft Momente in Benin, in denen ich dachte, warum tue ich mir das an? Und dann kommen solche Momente, in denen man weiß, warum man das tut.

Zum Beispiel?

Marianne: Ich saß im parkenden Auto und habe einen Buben von 12 Jahren beobachtet. Er stellte sich in die Mitte der Straße und stoppte einen Radfahrer. Auf seinem Anhänger transportierte der Alte ein lebendiges Zebu-Rind, welches regelrecht zusammengefaltet und festgebunden war. Der Junge sagte, „Bitte binde das Tier los, es hat doch Schmerzen“. Der Alte: „Das geht dich gar nichts an, es wird sowieso geschlachtet“. Der Junge: „Dann lass es wenigstens bis zum Schlachthof selbst laufen. Ich ruf sonst die Gendarmerie“. Der Disput ging eine Weile hin und her. Endlich band der Alte das Tier los. Ich war so stolz auf den Jungen.  Ich lief zum Dorfchef und zum Direktor der Schule und sagte: ich habt einen Helden im Dorf und erzählte die Geschichte. Der Rektor rief sofort alle Klassen in den Pausenhof. Mit lauter Stimme schilderte er vor allen Schülern die ganze Begebenheit. Zum Schluss sagte er: “Die Ausrede – „Ach da kann man ja nichts tun“ – zählt ab heute für die Schüler unserer Grundschule nicht mehr. Ihr habt gesehen man muss nur wollen, dann kann auch ein einzelner Schüler etwas verändern. Wir sind stolz auf ihn”.

Was hat den kleinen Jungen dazu bewegt, sich für das Rind einzusetzen?

Alice: In unserem Projekt Jardin Sacré bringen wir den jungen Menschen Respekt vor Natur, Menschen und Tieren näher und der Junge von dem Marianne gerade erzählt ist sozusagen damit groß geworden. Jardin Sacré ist unser Herzensprojekt. Manchmal verstehen die Älteren das Projekt nicht, deshalb ist die Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung sehr wichtig.

Marianne: Das Projekt läuft jetzt seit 18 Jahren. Am Anfang lief es eher zäh.  Es sind die Mittzwanziger, die vor 18 Jahren mit dem Projekt begonnen haben, die es begriffen haben und jetzt oft zu uns kommen, wenn ein Wald  abgeholzt werden sollen. „Bitte helft uns das Gebiet zu schützen.“ So haben wir insgesamt 401 Hektar geschützten Wald in verschiedenen Gemeinden Benins.

Wie kann man euren Verein und damit die Menschen in Benin unterstützen?

Alice: Die Arbeit in Benin können wir nur leisten, wenn wir genügend Spendengelder bekommen. Deshalb sind wir für jeden Euro dankbar.

Ein Blick in die Zukunft – wovon träumen die Menschen in Benin?

Marianne: Die Menschen träumen von einem regelmäßigen Einkommen, damit ihre Kinder in die Schule gehen können, damit sie genügend zum Essen haben und auch Geld haben, um Kranke in der Familie zu pflegen. In Benin gibt es keine Krankenversicherung.

 

wema-home.de